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Neueste Nachrichten - Wolgograd 1994


Presse: Schwarz auf Weiß 

Der Fotografie von Gabi Novak-Oster und Detlef Oster widmeten sich anläßlich zweier Ausstellungen gleich zwei "Kultur-Extra-Seiten" der Rhein-Zeitung. Zur Ausstellung "Moment. Aufnahme" im Jahr 2013 brachte Birgit Pielen das künstlerische Ansinnen der beiden Fotografen mit ihrer ganzseitigen Reportage auf den Punkt: Diese Fotografien aus dem Alltag vermitteln den "Zauber des Augenblicks".

Bereits 2010 war zur Ausstellung "ZeitBlende" eine liebevolle Reportage („Auf den Blick für den Moment kommt es an“) von Rena Lehmann erschienen, die wegen ihres Einfühlungsvermögens große Beachtung fand.

 

 

Der Zauber des Augenblicks

Ausstellung: Gabi Novak-Oster und Detlef Oster zeigen 60 Momentaufnahmen im Landesmuseum - Von unserer Redakteurin Birgit Pielen
Koblenz. Das Besondere verbirgt sich im Alltäglichen, man muss nur ganz genau hinschauen: auf die Momente des Glücks, der Unbeschwertheit, der Zweisamkeit, auf die Augenblicke des Anfangs und des Abschieds. Gabi Novak-Oster und Detlef Oster fangen Bilder ein, die typisch für den einen Moment sind und gleichzeitig viel über das Davor und Danach aussagen. Im Landesmuseum Rheinland-Pfalz in Koblenz (Festung Ehrenbreitstein, Haus der Fotografie) zeigt das Ehepaar bis 26. Mai mehr als 60 Schwarz-Weiß-Fotografien unter dem Titel „Moment.Aufnahme“.

Von der Rolltreppe aus beobachtet

Vergangenes Jahr in Hamburg, das Paar ist in einem Kaufhaus unterwegs, die Kamera steckt griffbereit in der Tasche. Auf einer Rolltreppe erhascht Detlef Oster diesen einen besonderen Augenblick: „Es wird die Zeit kommen, da du glaubst, alles sei geschafft. Das ist der Anfang.“ Unter dem Zitat des amerikanischen Schriftstellers sitzen Mann und Frau auf einer Bank, einander zugewandt, und schauen sich fragend an. Lernen sie sich gerade erst kennen? Oder sind sie schon lange ein Paar und haben sich gerade über Sinn und Unsinn der Einkäufe unterhalten? Der Mann schaut zwar mit überlegenem Blick auf die Frau, aber er ist es, der die Einkaufstasche schleppt. In dieser Paar-Konstellation hat wenig anderes Platz. Eine zweite Frau sitzt deshalb am anderen Ende der Bank und wendet sich ab.


„Unsere Fotos sind außergewöhnlich, weil sie nicht außergewöhnlich sind“, sagen Gabi Novak-Oster und Detlef Oster. „Es ist Alltagsfotografie.“ Und doch sind die Momente durch Ausdruck und Aussage so intensiv, dass man stundenlang von ihnen zehrt.
Die Bilder sind eine besondere Form der journalistischen Fotografie: Dokumente des Alltags. „Es gibt nichts Gestelltes, nichts Reißerisches, nichts Spektakuläres“, sagt das Koblenzer Ehepaar, beide Jahrgang 1950. Gabi Novak-Oster arbeitete mehr als drei Jahrzehnte für die Rhein-Zeitung, leitete das Wochenend-Journal und engagierte sich für die Leserinitiative HELFT UNS LEBEN.
Wenn sie von Auslandsreisen zurückkehrte, hatte sie hunderte von Fotos im Gepäck. Vor dem Zeitalter der digitalen Fotografie rief sie vom Flughafen stets ihren Mann an: „Ich habe zwölf Filme ...“ Zu Hause wurden dann sofort Entwickler und Fixierer angesetzt. Aus dieser Zeit stammt auch das Bild von Natascha, einem Kind, das nach dem Super-GAU von Tschernobyl an Krebs erkrankte. Gabi Novak-Oster trifft Natascha in einem Krankenhaus, das kahlköpfige Mädchen zeigt ihr ein Foto: „Das war ich!“ Natascha war vor der Chemotherapie ein Kind mit halblangen dunklen Haaren, fröhlichem Lachen und voller Unbeschwertheit. Und jetzt? Traurige, fragende Blicke.

Der leise Journalismus

Während dieses Foto der Fotografin klar zuzuordnen ist, gibt es viele Bilder, bei denen keiner weiß: Hat sie oder hat er fotografiert? Gabi Novak-Oster und Detlef Oster haben denselben Blick, dieselbe Bildsprache. Sie nennen es Leidenschaft für den leisen Journalismus.
Wie sie begann er seine berufliche Laufbahn bei der Rhein-Zeitung, studierte Sozialpädagogik, arbeitete für einen Wohlfahrtsverband und war fast 25 Jahre lang Pressesprecher des Rhein-Lahn-Kreises. In dieser Zeit engagierte er sich auch stark für das Welterbe Oberes Mittelrheintal.

Gabi Novak-Oster und Detlef Oster fotografieren am liebsten in Schwarz-Weiß. Das lässt in feinen Graustufen eine Konzentration auf das Wesentliche zu. Auch wenn das Leben bunt ist: In den Bildern wird es reduziert auf Beziehungen – von Mensch zu Mensch oder von Mensch zu Umwelt.
Da ist das Kind, das auf Amrum gedankenverloren über den Strand zum Meer läuft, zwei Hunde folgen ihm im gleichen Tempo.
Da ist das alte Ehepaar in Brokdorf, das einen Gartenweg entlang spaziert. Jeder hält einen Stock in der einen Hand, in der anderen die Hand des geliebten Partners. Ihr langes Glück wirkt trotz der Gebrechlichkeit des Alters nicht geschwächt.
Andere Paarbeziehungen entdecken Gabi Novak-Oster und Detlef Oster bei ihren vielen Nord- und Ostseeurlauben. In Ahlbeck auf Usedom ist es das vornehme, fast bekleidete Paar, das am Strand an einem fast nackten Paar in Bikini und Badehose vorbei aufs Meer blickt.
Manchmal aber finden sich die Motive auch direkt um die Ecke – so wie die Zimmermanns in Koblenz, die mit ihrem Hund schäkern und dabei einen unbändigen Spaß haben. Lebensfreude und Leichtigkeit, Liebe und Leid finden sich in den Fotos wieder – und geben einen wahrhaften Blick auf den Menschen frei. Gabi Novak-Oster und Detlef Oster halten zwar scheinbar unbeobachtete, intime Momente fest, aber sie lassen ihren Motiven immer die Würde.

Die Ausstellung „Moment.Aufnahme“

Die Ausstellung „Moment.Aufnahme“ auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz ist im Haus der Fotografie bis 26. Mai zu sehen. Dieses ist im Turm Ungenannt untergebracht, der sich im Eingangsbereich der ehemaligen preußischen Festungsanlage befindet.
Der Eintritt ins Haus der Fotografie ist im Festungseintritt enthalten, er beträgt 6 Euro (in Kombination mit einer Hin- und Rückfahrkarte für die Seilbahn 11,80 Euro). Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 17 Uhr zu sehen. Der Fahrbetrieb der Seilbahn beginnt morgens um 10 Uhr, die letzte Gondel fährt abends um 18 Uhr. Ab dem 27. April fährt die Bahn bis 19 Uhr.
Das Haus der Fotografie, das im vergangenen Jahr neu eröffnet wurde, zeigt außerdem in einer Dauerpräsentation, wie sich die Fotografie als reproduzierbares Massenmedium neben anderen Abbildungsformen etablierte und wie die typischen Genres Menschenbildnis, Landschafts- und Architekturfotografie, Journalismus, Werbung und Fotokunst entstanden. Die Ausstellung erläutert die technischen und wirtschaftlichen Grundlagen des Mediums, berücksichtigt die drei „Säulen“ der Fotografie – das Fotografenhandwerk, die Fotokunst und die Amateurfotografie. Weiterhin werden Reproduktionen von Werken aus der Landessammlung zur Geschichte der Fotografie in der Dauerpräsentation im Turm Ungenannt gezeigt.

Der Mensch am Auslöser

Nicht die gute Kamera macht das Foto, sondern der Mensch am Auslöser. „ZeitBlende“ ist deshalb das Motto von Gabi Novak-Oster und Detlef Oster. Zeit und Blende bestimmen das Foto. Sie gestalten vor allem seine Tiefenschärfe.
„ZeitBlende“ bedeutet auch, auf die Zeit zu blicken, auf sie zu blenden. Als Handwerkszeug dienen seit Jahrzehnten Spiegelreflexkameras – zunächst analog, heute digital. Etwa 65 Prozent der Fotos der Ausstellung sind auf Film aufgenommen. Das Filmmaterial wird heute noch mit einem Filmscanner eingelesen.

 
Auf den Blick für den Moment kommt es an

Sie sind es beide nicht gewöhnt, dass sich das Teleobjektiv eines Fotoapparats auf sie richtet. Gabi Novak-Oster und ihr Mann Detlef Oster stehen unschlüssig und etwas unbeholfen im Garten an der Mosel. Wohin schauen? Wie schauen? Sie mögen das nicht, wenn eine Situation nachgestellt ist, sie sich nicht zufällig so ergeben hat. Vor allem aber stehen sie lieber hinter als vor einer Kamera. Sie wirken erleichtert, als der Moment vorbei ist, in dem sie selbst zum Foto-Objekt geworden sind. „Wo ist der Hund? Such mal den Hund“, sagt sie zu ihrem Mann, als sie beide wieder vor dem großen Karton mit Fotodrucken in ihrer Wohnung sitzen. Er sucht.

Es ist schon dunkel, und aus der Fensterfront der Wohnung am Koblenzer Moselufer sieht man die Lichter der letzten Flusskreuzer, die dem Winter noch trotzen. Ein schönes Bild.
Beide sind 60 Jahre alt, beide sind in Rente, und so haben sie vor Monaten mit dem Kassensturz ihres bisherigen Lebenswerks begonnen. Sie haben ihre 90 000 Negative aus den vielen Jahren ihrer Arbeit vor dem Zeitalter des Digitalen gesichtet und die schönsten Fotos ausgewählt, gedruckt, zusammengestellt, gerahmt. Viele von ihnen sind zurzeit in einer Ausstellung in der Bad Emser Kreisverwaltung zu sehen, eine weitere soll folgen, einen Bildband wollen sie auch noch herausbringen.

Er hat „den Hund“ schließlich gefunden. Das Foto zeigt einen Bettler, der am Straßenrand
sitzt, an ein Haus gelehnt. Auf seinem Pappschild steht: „Armer Hund, ohne Hütte ohne Knochen.“ Neben ihm ein Hinweisschild am Haus mit der Aufschrift: „Hunde bitte hier anleinen.“ Es ist ein Foto, das mehr sagt als viele Worte und das seinen Betrachter nachdenken lässt. So ein Motiv kann man nicht suchen und finden, so ein Motiv muss man sehen. Weil solche Momente nicht planbar sind, gehen beide Fotografen nie ohne Kamera aus dem Haus.
Für Detlef Oster war das Foto vom „armen Hund“ der Anfang „seines Stils“, der sozialkritischen Fotografie, die seine Frau gleichermaßen fasziniert. Beide wollen auch Missstände mit der Kamera einfangen, überraschen, aufrütteln. Der Mensch ist ihr beider Motiv, in seinem Elend, seinem Glück, im Alltag. „Wir wären beide nicht für die Landschaftsfotografie geeignet“, sagt Gabi Novak-Oster. Sie fotografieren in Schwarz-Weiß, wollen Kontraste, aber auch Grautöne zeigen. Das Leben abbilden, so wie es ist.

„Unsere Fotos erzählen Geschichten“, sagt Gabi Novak-Oster. „Und sie erzählen auch unsere Geschichte.“ 1978 hat diese Geschichte angefangen. Da hatte sich Detlef Oster gerade entschieden, den Journalistenberuf als Redakteur unserer Zeitung zugunsten eines Studiums der Sozialpädagogik vorläufig aufzugeben – und Gabi gerade mit ihrer Ausbildung zur Redakteurin unserer Zeitung begonnen.

Sie begegneten sich, als sie einen Artikel zum Jugendtreff Haus Metternich recherchierte – und er ihr Rede und Antwort stehen musste. „Ich habe dann eigentlich durch ihn auch mit dem Fotografieren angefangen“, sagt sie. Wochenends brachen sie oft spontan zu ihren damaligen Lieblingsorten auf, Paris, Amsterdam, die DDR. Weiße Strände, Palmen, Urlaubsidylle haben sie nie reizen können. Sie wollen erkunden, begreifen, neugierig sein. Ihr Blick durch die Kamera ist auch immer der Blick des Journalisten.

Viele Jahre war Gabi Novak-Oster als Journal-Redakteurin für die großen Reportagen in unserer Zeitung zuständig, „der Traumjob“, wie sie noch heute sagt. Was war dabei wichtiger, das Foto oder der Text? Sie überlegt. „Das Schreiben war doch noch intensiver, obwohl ich das Foto nicht hätte missen wollen.“ Als Journalistin näherte sie sich ihrem „Thema behutsam, aber präzise wie eine Kamera, ergründete Tiefen und Unschärfen ihres Gegenübers. „Ich habe nie über eine ,Person' geschrieben, sondern immer über einen Menschen in seiner ganzen Umgebung, egal ob er sich im Prunk oder im Elend befand.“

Jeder kann eine Szene sehen, aber nicht jeder erkennt, dass sie ein Foto ist.”

Das Wohnzimmer der beiden wird von einem mehrere Quadratmeter großen Gemälde eines iranischen Künstlers dominiert. Es zeigt drei feiernde Frauen mit Sektgläsern in den Händen. Sie wirken stark. Der Flur gleicht einer kleinen Galerie, dort ist Platz für eine kleine Auswahl eigener Fotos, aufgereiht wie in einer Ahnengalerie. Hier leben zwei Menschen mit einem Blick für Besonderes und Wesentliches. Ohne Prunk.

Bei ihren vielen Reisen und Begegnungen, die in ihren Fotos dokumentiert sind, hat sich auch ihre Einstellung zum eigenen Leben verändert. „Jammern auf hohem Niveau“ gibt es nicht mehr. Gabi Novak-Oster hat viel Elend gesehen, fotografiert und beschrieben. Für die Hilfsinitiative HELFT UNS LEBEN unserer Zeitung reiste sie um die Welt: Sie begegnete krebskranken Kindern nach der Tschernobyl-Katastrophe, verwahrlosten Waisen in Rumänien, unterernährten Babys in Afrika. „Wenn man so etwas macht, muss man funktionieren“, sagt sie ernst. Das Grübeln komme hinterher. „Nur abgebrüht darf man niemals werden.“ Sie reiste auch am 10. November 1989 nach Berlin, weil sie den Mauerfall miterleben wollte. Und beim Oderhochwasser 1997 fuhren sie und ihr Mann in den Osten, um zu helfen.

„Ja, wir haben schon beide ein Helfersyndrom“, sagt ihr Mann. Aber beide sehen das Erlebte auch als eine Bereicherung für sich. Über viele Jahre gaben die nächste Reise, die nächste Geschichte den Takt ihres Lebens vor. Er, hauptberuflich Pressesprecher des Rhein-Lahn-Kreises, und sie, die Reporterin, waren dabei immer ein Team. „Wenn ich gelandet bin, habe ich angerufen und gesagt, wie viele Filme ich habe“, erzählt sie. Dann hat er im hauseigenen Fotolabor schon alles vorbereitet, um die Negative sofort zu entwickeln. Die Aufregung erfasste sie dann beide: Sind die Bilder etwas geworden? „Etwas geworden“ bedeutet nach ihrem Anspruch nicht nur, dass alles scharf und gut zu erkennen ist. Der richtige Moment muss erfasst sein.

In den vergangenen Tagen hat Gabi Novak-Oster die Schwäne auf der Mosel im Blick gehabt. Doch als sie endlich in einer Reihe das Ufer entlang fliegen, ist sie unter der Dusche. Ihr Mann hat das Bild „im richtigen Moment“ gemacht. Sie können sich da aufeinander verlassen.

Rena Lehmann, Rhein-Zeitung vom 11. Dezember 2010


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