Ein
frisch vermähltes Paar stapft über den Ostseestrand. Sie mit Brautstrauß
vorneweg, er gesenkten Hauptes im feinen Zwirn hinterher - “Hochzeitsmarsch”.
Die Augen des Mädchens flehen: "Bitte!".
An einer Landstraße in Rumänien bietet es eine Blume zum Kauf an. Ein trauriger
Blick, der unvergessen bleibt.
"Das
war ich" - zeigt Natascha auf einem Bild. Das Mädchen
vor
der
Katastrophe von Tschernobyl.
Drei Fotos, die widersprüchlicher nicht sein können.
Gerade noch schmunzelt der Betrachter, jetzt schaudert es ihn. Ein Wechselbad
der Gefühle wie bei anderen Motiven auch. Fotos aus dem Leben, aus der
Situation. Nicht inszeniert, “nur” dokumentiert. Weder heimlich aufgenommen,
noch verfremdet. Keine gestellten Bilder – und keine, die zur Schau stellen.
Leise Töne in einer zunehmend lauten Gesellschaft.
Menschen und Momente. Menschen, die von Momenten geprägt und für den Augenblick
so gezeigt werden. Bilder, die jeder sehen kann (mit und ohne Kamera), die aber
nur wenige wahrnehmen.
Mag sein, dass sie zu “banal” sind, zu
alltäglich. Vielleicht, weil wir uns an den “normalen” Alltag gewöhnt haben.
Oder weil uns der Blick für das eine und das andere abhanden gekommen ist in
einer Welt ständig neuer Schlaglichter?
Sie sind Journalisten mit Leib und Seele, auch wenn sie
dabei unterschiedliche Wege gingen. Gabi Novak-Oster blieb mehr als drei
Jahrzehnte der Zeitung treu – zunächst in der lokalen Berichterstattung, später
mit Reportagen und Hilfsaktionen in zahlreichen Krisengebieten, vor allem im
Osten Europas.
Detlef Oster begann mit einem Volontariat bei der
Zeitung, anschließend studierte er Sozialpädagogik, wurde dann Pressesprecher in
unterschiedlichen Bereichen. Was beide vereint – und das über das Berufliche
hinaus: die Fotografie.
Sie fotografieren (überwiegend) in Schwarz-Weiß,
sehen ihre Motive dadurch auf das Wesentliche reduziert, authentischer
dargestellt und ehrlicher in einer knall bunten Welt.
Nicht auf den
Klick kommt es an, sondern auf den Blick. Nicht die gute Kamera macht das Foto,
sondern der Mensch am Auslöser. Ein kurzer Moment nur, doch durch seine Aufnahme
wird er zur Ewigkeit.
Weshalb ZeitBlende?
Viele wissen es in einer Generation der Vollautomatik nicht mehr: Zeit und
Blende bestimmen das Foto. Sie gestalten vor allem seine Tiefenschärfe. ZeitBlende
bedeutet auch, auf die Zeit zu blicken, auf sie zu
blenden: Blende auf für die Realität.
Und so
steht der Titel dieses Buches ebenso für ein fotografisches Tagebuch. Bilder aus
dem Leben – aus dem der Fotografierten und dem der Fotografen.
Schwarz-Weiß-Fotografie mit vielen Grautönen. Differenziert und einfühlsam.
Leise Töne. Doch die leisen Töne sind nicht selten jene, die am ehesten
wahrgenommen werden.
Als
Handwerkszeug dienten seit Jahrzehnten Nikon-Spiegelreflexkameras - zunächst
analog, heute digital. Seit 2018 löste die SONY-ALPFA 7 die Nikon ab. Etwa 65 Prozent der besten Fotos sind
bisher auf Film
aufgenommen. Das Filmmaterial wurde viele Jahre mit einem Nikon-Filmscanner
eingelesen. Die Verarbeitung erfolgte viele Jahre mit Photoshop, heute mit
Affinity. Gedruckt wurde mit einem
Großformatdrucker von Epson, heute als Auftzragsarbeit bei WHITE WALL..
Gabi
Novak-Oster war fast 34 Jahre bei der Rhein-Zeitung (Koblenz). Ihre Fähigkeit
zuzuhören ermöglichte oft tiefer gehende Reportagen aus dem "stinknormalen"
Alltag – Geschichten, die gerne gelesen wurden und meist auch etwas bewirkten.
Als Ressortleiterin des Wochenend-Journals
vergrößerte sich ihr Einsatzgebiet erheblich. Reportagen aus und über die
Flug-Katastrophe von Ramstein, das ICE-Unglück in Eschede, die Gladbecker
Geiselnahme, der Amoklauf in Erfurt oder die Flutkatastrophe in Ostdeutschland
gehörten ebenso dazu wie die Berichterstattung aus Tschernobyl, Russland,
Sarajevo, aus dem Kosovo und der ehemaligen DDR.
Mit den Berichten
verbunden waren meist Hilfsprojekte der verlagseigenen Organisation HELFT UNS
LEBEN, die sie entscheidend prägte. Für ihre Reportage "Der Mord an Shari Weber
- Skandal oder Restrisiko?" erhielt sie 1992 den renommierten
Theodor-Wolff-Preis. Der Berichterstattung über die keineswegs spektakulären
Probleme des Alltags blieb sie aber treu.
Detlef Oster begann seine
berufliche Laufbahn ebenso bei der Rhein-Zeitung. Die beiden verpassten sich
aber zeitlich. Seine Reportagen waren sehr schnell von sozialem Engagement
geprägt. Das Studium zum Diplom-Sozialpädagogen war daher ein konsequenter
Schritt.
Nach "mediengeprägten" Jahren in der Jugendkulturarbeit –
so leitete er mehrere Jahre das "Haus Metternich" in Koblenz
(Geburtshaus von Fürst Metternich) – wurde er Sprecher
eines Wohlfahrtsverbandes auf überregionaler Ebene.
Doch fast 25 Jahre wirkte
er letztlich als Pressesprecher des Rhein-Lahn-Kreises, war dort auch Referent
für kulturelle Angelegenheiten, viele Jahre Geschäftsführer der kreiseigenen
Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft und zuletzt auch tätig für das noch junge
UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal.
Die gemeinsame Zeit des
Ruhestandes – beide Jahrgang 1950 – nutzen Gabi Novak-Oster und Detlef Oster
auch für ihre Leidenschaft Fotografie – und haben jetzt noch mehr Gelegenheiten,
Zeit und Blende richtig einzustellen.